5. September (Tag 72)

Louisburg, KS - Clinton, MO

Tages-Km: 114
Gesamt-Km: 3.700
Höhenmeter: 877
Zeit im Sattel: 6:40
Wetter: Sonnig
Temperatur: 17 - 25° C


Heidi und Mike Henson haben Angie am Flughafen und mich südlich von Kansas City in Louisburg abgesetzt. Wenn man so will, haben sie mich von Freising nach Ebersberg gefahren und mir so den Weg mitten durch die große Stadt (in diesem Fall Kansas City) erspart.

Goodbye Kansas, hello Missouri!
Kurz nach Louisburg empfing mich nach Washington, Montana, Wyoming und Colorado der fünfte Bundesstaat meiner Transamerica Tour (Kanada zählt ja nicht als Bundesstaat).


Und zwei Kurven weiter dann auch gleich die erste unheimliche Begegnung. Ich und meine Panik vor Schlangen. Jessas.


Der Wind singt seine Lieder. Nun ja, er grölte mir auf den ersten 40 Kilometern eher frontal ins Gesicht.


Dieses Foto bildet Fahrtrichtung sowie Windrichtung UND -stärke äußerst realistisch ab. Der extreme Gegenwind hat mich in der Ebene auf 9 - 11 km/h gedrückt. Ein Witz. Aber nicht nur der Wind hat mich heute massiv ausgebremst. Missouri ist wie eine überdimensionale Wellblech-Piste. Mein lieber Schwan, ist Missouri hügelig. Was bin ich froh, dass ich nicht durch die Ozark Mountains fahren werde.


So ging das mit wenigen Ausnahmen 114 Kilometer lang dahin. Auch wenn man es den Hügeln nicht ansieht, aber sie sind steil. Kurz, aber STEIL. 10% - 14% sind keine Seltenheit. In Tateinheit mit dem Wind auf Dauer eine elende Zermürbungstaktik. Das wirklich Fiese aber war, dass ich bergauf zwar im Windschatten fahren konnte, abwärts aber wegen des Gegenwindes meistens treten mußte, um nicht stehen zu bleiben. Bergab treten gehört zu den schlimmsten Demütigungen, die man einem Radler zufügen kann.

"Fang den Truck"
Und weil aller guten Dinge ja bekanntlich DREI sind, gesellten sich zu Wind und Hügeln auch noch rudelweise aggressive Hunde. Ich hatte sie schon in Kansas erwartet, aber dort war es ihnen offenbar zu heiß. Jetzt, wo der Herbst so langsam seine Fühler ausstreckt, kommen auch die Hunde aus ihren Löchern respektive Bauernhöfen. In ländlichen Gebieten hat jeder Bauernhof mindestens - MINDESTENS - drei Hunde. Ich habe aber auch schon Rudel von sieben oder acht Hunden erlebt. Zäune gibt es auf dem Land kaum und die Tore zu den Farmen sind breit und offen. Erblickt ein Hund einen Radler, beginnt er sofort hysterisch zu kläffen und rast hirn- und haltlos auf den Radler zu. Alle übrigen Hunde fallen mit ein in die wilde Hatz und schon rennt ein Rudel bellender, jaulender und japsender Tölen auf dem direkten Weg auf den Radler zu, der gerade gegen den Wind oder eine Steigung oder beides kämpft. Ein Rudel heranrasender und wild bellender Hunde ist nichts für schwache Nerven.

Bis hierher könnte man das Ganze ja noch als reine Lärmbelästigung verniedlichen. Wäre da nicht die Tatsache, dass die Viecher um den Radler kreisen, vor dem Vorderrad herumturnen und immer mal wieder springt ein ganz besonders dämliches Vieh an eine Packtasche (VORDERrad) oder wird von einem der übrigen hysterischen Köter an die Tasche, den Anhänger oder das Bein des Radlers gedrückt. Mir ist zwar bisher noch nie etwas passiert (ich kenne das ja schon von meiner 2007er Tour), aber ich habe gestern beschlossen: "Das Imperium schlägt zurück!" Die Straße ist MEIN Territorium. Ein Pfefferspray ist schon auf meiner Einkaufsliste und die große Metall-Luftpumpe werde ich ab sofort AUF den Anhänger binden und nicht mehr IM Anhänger verstauen.

Neben diesen direkten Abwehrwaffen habe ich gestern an einer indirekten Methode getüftelt, die ich nach Beendigung der Tour als Geschicklichkeitsspiel für Radler patentieren lassen will: Das Spiel heißt "Fang den Truck". Hauptspieler ist der Radler, Mitspieler sind Hunde, die den Radler jagen. Je mehr Hunde, desto mehr Punkte kann der Radler erspielen. Durch langsames Radeln erliegt der Hund der Versuchung, SEIN Territorium "Bauernhof" zu verlassen und auf die Straße zu laufen, um dort wie wild um den Radler zu springen, zu bellen und all das Theater zu zelebrieren, das typisch für diese Kreaturen ist. Der Radler muss nun versuchen, die Hunde möglichst links von ihm zu versammeln. Weil der Radler am rechten Straßenrand fährt, bedeutet das, dass die Hunde dann mitten AUF der Fahrbahn laufen. Anschließend fährt der Radler langsam zur Fahrbahnmitte, was die Hunde auf die GEGEN-Fahrbahn bringt. Tja, und dann hofft man auf Gegenverkehr, am besten einen Truck. Sieger ist nach Beendigung der Etappe derjenige Radler mit den meisten Kerben in der Luftpumpe. Ich habe heute mehrfach die gesamte Meute auf dem Präsentierteller gehabt, aber wo bleiben die Trucks, wenn man endlich mal einen herbeiwünscht.

Apropos "ländliches Gebiet":


Herrschaften, dieser Tag hat mich rundum geschafft. Gestern Abend bin ich nur noch ins Bett gefallen und erst heute Morgen wieder zu mir gekommen. Jetzt gibt's ein kräftiges und herrlich ungesundes Frühstück und dann freue ich mich auf den "Katy Trail" (www.bikekatytrail.com) , der hier in Clinton beginnt und mich bis vor die Tore von St. Louis bringen wird. Mit großer Neugier sehe ich auch "Hermann" entgegen (www.visithermann.com) .

Till Senn

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