07. September (Tag 74)

Katy Trail: Sedalia, MO - Booneville, MO

Tages-Km: 66
Gesamt-Km: 3.830
Höhenmeter: 184
Zeit im Sattel: 4:15
Wetter: Regen, bewölkt, sonnig
Temperatur: 16 - 26° C


Was habe ich im gestrigen Blogeintrag abschließend geschrieben? Über Mr. Murphy? "BLOSS KEIN REGEN!" Heute früh um 05:00 Uhr hat es nach einer trügerisch klaren Nacht zu regnen begonnen. Gut, dass ich die Klamotten abends noch INS Zelt geholt habe. "Alles, bloß kein Regen" war mein ausdrücklicher Wunsch. Denn der Katy Trail ist ein Kiesweg, der bei Regen zu einer Schlamm-Catch-Arena wird. Um 06:00 Uhr hatte sich der Himmel jedoch schon wieder ausgeweint und nach weiteren zwei Stunden habe ich mich bei blauem Himmel auf den Weg gemacht. Zunächst einmal zur Katy-Haltestelle in Sedalia.


Als "Rowdy Yates" hat Clint Eastwood zwischen 1959 und 1965 in der Serie "Rawhide" sein Steak als Cobwoy verdient. Sedalia war Schauplatz einer, mehrerer oder aller Serien - so genau konnte ich das in der kurzen Zeit leider nicht recherchieren. Auf jeden Fall ist man in Sealia stolz darauf. Clint und ich sind uns einig. Wir blicken gemeinsam nach Westen und wissen: Ein Mann braucht ein Ziel, ein Pferd und ab und zu ein Glas Whiskey. Wohin Clint will, weiß ich nicht, aber mein Ziel ist Key West, mein Pferd ist aus Metall und mein Whiskey heißt Gatorade.

Und los geht's, allerdings erst einmal in die falsche Richtung. Ich war nämlich schlau und wollte eine Abkürzung nehmen, da der Katy Trail in Sedalia unterbrochen ist und ich möglichst schnell die Fortsetzung finden wollte. Klar, dass meine Abkürzung keine war und mir die Wirklichkeit schnell und effizient die Augen geöffnet hat. Und zwar in Form dieses Straßenschildes, das ich zuerst mit suchenden und dann verstehenden Augen gelesen habe:


Danke für die Lektion, Meister. Ich habe verstanden. Kurz darauf war ich auf Kurs. Die gesamte heutige Etappe kann ich in einem einzigen Wort zusammenfassen: VERWUNSCHEN. Ich weiß, da gibt es dieses unsägliche Lied von André Heller auf dem unsäglichen gleichnamigen Album "Verwuuuuuun-schäääään". (Wenn sich einer einen Akzent auf das "é" bügelt, bilden sich schwupp-di-wupp einfache Vokale sogleich was drauf ein, ziehen sich Pumps an und machen einen auf Nasal-Laut.)

"Verwunschen, verwunschen,
in Dornen verwunschen,
in Nägel verwunschen
in Disteln, in Nadeln,
in Zangen verwunschen
sind wir,
du und ich,
ich und du"

Mein Gott, das hat mir mal gefallen! Gut, dass das niemand weiß. NIEMALS würde ich das eingestehen. NIEMANDEM! Ich tippe das nur in dieses elektronische Tagebuch, das ja außer mir niemand liest. Verw... So ein Schmarrn! Man werfe je eine gehörige Portion spätpubertäre Wehleidigkeit, intellektuelles Gehabe und vielleicht das ein oder andere Bier in eine Schüssel, mixe es drei Minuten auf Stufe 3 und heraus kommt solch lyrischer Lebertran... Richtig ereifern könnt' ich mich über derart... ... so ein... aber ehrlich. Gue Güte!

Aaaaalso: die heutige Etappe war verwunschen. Kein Lebertran, sondern echte Magie. Eigentlich nennt sich zwar New Mexico "Land of Enchantment", aber heute war es Missouri, genauer gesagt der Katy Trail zwischen Sedalia und Booneville. Auf den 66 Kilometern habe ich gerade einmal vier Radler und drei Fußgänger getroffen. Keine Autos, Trucks, ATVs, Motorräder, Rasenmäher, Kreissägen, Bohrhämmer, Straßenbaumaschinen, Sprengungen, Tiefflugübungen: KEIN LÄRM - nur Natur pur. Als schmales Band schlängelt sich der Katy Trail durch das hügelige Grün. Eingetaucht in einen nicht mehr enden wollenden grünen Tunnel rolle ich durch eine magische Szenerie. Die Sonne blinzelt durch das rauschende Blätterdach, Bäume wiegen sich im Wind, Kies knirscht unter den Rädern. Wind, Zikaden und allerlei gefiedertes Getier ergänzen den Soundtrack um eine zweite Spur. Nur die Schildkröten blieben - wie üblich - stumm.

Man kann Magie nicht fotografieren, aber ganz ohne Bilder kommt ihr mir doch nicht davon.







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