29. September (Tag 96)

Grove Hill, AL – Mobile, AL
Underground Railroad Trail – Tag 4

Tages-Km: 132
Gesamt-Km: 5.591
Höhenmeter: 908
Zeit im Sattel: 7:09
Wetter: heiter
Temperatur: 17 – 24° C



Geschafft
Ich bin geschafft und ich habe es geschafft. Ich bin am Golf von Mexiko. YEAH! In nur vier Tagen von Tupelo, Mississippi bis Mobile, Alabama: 566 Kilometer, 3.299 Höhenmeter und 30 Stunden und 36 Minuten im Sattel. Puh... Meine Meinung zu diesem Abschnitt des „Underground Railroad Trail“: Völliger Irrsinn.

Wie geplant bin ich heute Morgen um 07:30 Uhr los geradelt. Nach vier Kilometern habe ich das Rad abgestellt und mich gefragt, ob ich verrückt bin. Zweimal hätten mich rasende Holztransporter beinahe zermatscht. Aus – das mache ich nicht länger mit. Das ist der totale Schwachsinn! Ich fahre also zurück, suche mir am Ortsende von Grove Hill eine passende Stelle und versuche, einen PickUp anzuhalten, damit er mich bis „Perdue Hill“ (ca. 35 Kilometer) mitnimmt. Dort verlässt der Underground Railroad Trail den Todes-Highway 82 und die Chancen auf lebensungefährliches Radlen steigen wieder. Nach 30 Minuten und rund 50 PickUps gebe ich auf und radle zurück zum Motel, um den Motelbesitzer zu fragen, ob er mich für 50 Dollar 35 Kilometer weit fährt. „Leider nein“, sagt er, „ich muß zur Arbeit“. Und Nein, er kenne auch niemanden, der einen PickUp und etwas Zeit habe und Taxis gäbe es im Umkreis von 100 Kilometer auch nicht. Es täte ihm wirklich leid, aber ....

Ich nehme mir vor, jedes einzelne Haus der Reihe nach abzuklappern und zu fragen, ob mich jemand für 50 Dollar 35 Kilometer weit fährt. 2 von 3 Leuten sind hier arbeitslos, aber jeder hat einen PickUp. Das MUSS doch klappen! Dann fällt mir die Visitenkarte von Willy ein. Willy, der ehemalige Soldat. Willy, der lange in Deutschland stationiert war. Willy, mit dem ich mich gestern Abend sehr angeregt unterhalten habe, als er gerade das Motelgelände verlassen wollte und ich angekommen bin. Ich rufe die Nummer an - tut-tut - Willy hebt nach dem zweiten Klingeln ab und ist 10 Minuten später zur Stelle. Ich verlade Rad, Anhänger und Gepäck in seinen Transporter und eine halbe Stunde später bin ich in Perdue Hill. (Thank you Willy! You might have saved my live but you certainly saved me a nervous breakdown.)


Der Rest der letzten Underground Railroad Etappe war wie gehabt: Hügel, Hügel, Hügel und immer noch viel zu viele Trucks bzw. Autos, die allesamt mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch die unübersichtlichen Kurven brettern. NULL CHANCE, auch nur annähernd rechtzeitig zu bremsen, wenn das mal nötig sein sollte. Ich begreife das nicht. Tief durchatmen. Ich habe es jetzt hinter mir und will nur noch nach vorne blicken und nie mehr in Alabama radeln.

Als Ziel habe ich mir einen Campingplatz in Stockton ausgesucht. Bis Mobile wären es von dort noch rund 45 Kilometer und das kann ich nach dem verspäteten Start heute nicht mehr schaffen. Also morgen und in aller Ruhe und Gemütlichkeit und heute mal wieder zelten. Als ich dann in Stockton ankomme, kann ich den Campingplatz nicht finden. Als ich versuche, Autofahrer anzuhalten, um nach dem Weg zu fragen, bleibt niemand stehen. Offenbar haben alle Angst, ich könnte sie überfallen. NIEMAND hält an, jeder fährt an mir vorbei und zwei überfahren mich fast. „OK“, denke ich mir, „dann ist die Entscheidung gefallen. Du fährst jetzt mit Vollgas nach Mobile.“ Zu diesem Zeitpunkt war es 16:00 Uhr. Zwei Stunden für 45 Kilometer in hügligem Geländer und mit gut 50 Kilogramm Gepäck. Warum nur zwei Stunden? Weil die Sonne um 18:00 Uhr untergeht und kurz darauf ist es stockdunkel. Ich habe die 45 Kilometer 1:53 Stunden geschafft, aber dafür bin jetzt vollkommen platt und „schwach wie eine Flasche leer“. Aber auch sehr erleichtert, denn meine schlimmsten Verletzungen bislang sind Mückenstiche - und soll es bleiben. Das folgende Foto habe ich noch schnell geschossen, bevor ich zum Hotel abgebogen bin. Auch wenn es nur schwer zu erkennen ist, aber da ist ein Meer. DAS Meer, der Golf von Mexiko.


Ob ich morgen einen Arbeits-Pausentag einlege oder noch eine kleinere Etappe bis zum nächsten Arbeitspausen-Hotel einlege, entscheide ich morgen. Heute entscheide ich nichts mehr sondern will nur noch schlafen, schlafen, schlafen. Und der Wecker schläft auch!

Till Senn

1 Kommentar:

  1. Hi Herm,
    is ja wieda mal hammaHART: Kettenglühn hat wohl nicht gereicht, hast noch rauchende reifen und brennende Oberschenkel produziert - ausschlafen sei dir und deinem wecker von herzen gegönnt.

    Dein Tagesschnitt an Kilo-(und Höhen-)Metern ist so enorm, dass ich durch ein paar Tage `Nichtlesen` alles mögliche verpasst habe: 5000km-Marke, Southern Tier-Marke, 1267 Höhenmeter an einem Tag im Flachen!, die Golfankunft uvm...!

    Und jetzt gilt: zeig den Alligatoren die Speichen von hinten!!
    keep on...
    radl-be

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