Port Townsend - Anacortes
Tages-Km: 63
Gesamt-Km: 182
Höhenmeter: 470
Zeit im Sattel: 4:20
Wetter: bedeckt
Temperatur: 10 - 16° Grad
Welcome to hell
Dank meines Schlafanzugs bin ich heute Nacht im Zelt NICHT erfroren. Schlafanzug? Nun ja, der rettende Gedanke kam mir, als ich die Regenklamotten entdeckt habe. Regenhose und Regenjacke waren heute nach mein Schlafanzug.
Zum Frühstücken haben wir uns das "Seafood Cafe" in Port Townsend ausgesucht. Es ähnelt von außen einem selten genutztem Schuppen für Gartengeräte - und innen eigentlich auch. Auf der Fläche einer Reihenhausterrasse bieten vier Tische Platz für mindestens 27 Gäste - sofern alle stehen und sich gemeinsam umdrehen. Die No-Nonsens-Kellnerin begrüßt uns mit den Worten "Welcome to hell. Coffee is self service, so don't wait for me! And what can I get you for breakfast, guys?" Ein Stammgast vom Tisch nebenan hatte uns mit einem Augenzwinkern schon gewarnt: "If you are lucky someone will come and take your order. But they have an attitude." Alles natürlich nur ein Scherz; man geht nett miteinander um und schäkert viel, wenngleich mir die No-Nonsense-Kellnerin durchaus den Eindruck macht, als könne sie nichts mehr auf diesem Planeten überraschen, schon gar nicht Männer. Eigentlich schwer zu verstehen, wo Männer doch so geheimnisvolle Wesen sind.
Nach einem 4.000-Kalorien-Frühstück machen wir uns auf den Weg zur Fähre, auf der ich mehr Tourenradler treffe als während der gesamten 3-monatigen Mississippi-Tour im vergangenen Jahr. Ein besonderer Radler ist der ältere Herr hinter dem Harley-Fahrer (mit dem wir uns auch ganz nett unterhalten haben). Nein nicht GANZ hinten. Das ist Be! Ich meine den, der dazwischen sitzt.
Er fährt ein extravagantes Dreirad (Trike) mit einem großen, bunten Lampion an einer hohen Fahnenstange, damit ihn die Autos nicht übersehen. Wie sich im Gespräch herausstelt, war er früher als Musiker, Sänger und Dirigent in der ganzen Welt unterwegs. Auch in deutschen Konzertsälen hat er dirigiert.
Das ist mein neuer Wäschetrockner.
Be hat Holz-Wäscheklammern dabei, mit denen ich nun meine nass geschwitzten Trikots am Fahnenmast des Anhängers befestige. Zwei Hügel, umgerechnet also zehn Minuten später sind sie wieder trocken. So wechseln sich die beiden Trikots den ganzen Tag über laufend ab. Halt! Münzwaschautomaten gibt es hier pro Quadratkilometer mehr als Kerzen in der Gnadenkapelle zu Altötting.
So sah das kurz vor Anacortes aus. Twighlight Zone. Die Stimmung erinnert mich an Norwegen. Die Temperatur nicht: in Norwegen war es viel wärmer.