12. September (Tag 79)

Bluffton, MO – Hermann, MO

Tages-Km: 21,4
Gesamt-Km: 3.994
Höhenmeter: 72
Zeit im Sattel: 1:38
Wetter: Sonnig
Temperatur: 17 – 25° C


Der Tag, an dem ich zu mir kam


Weil der „Hermannhof“ unmittelbar an der AMTRAK-Bahnlinie liegt, bin ich als Nebelhorn-Traumatisierter ins „Hermann Motel“ ausgewichen. Nur, damit kurz danach den Rest des Motels eine Motorrad-Gang in Beschlag genommen hat. Der Schorsch Bauer wird jetzt wieder weise lächeln und das Wort "Karma" flüstern. Jaja, ist schon recht. Das nächste Mal dann eben wieder Nebelhorn. Da weiß man gleich, woran man ist und so ein AMTRAK-Nebelhorn ist auch intellektuell erheblich anspruchsvoller als die philosophischen Untiefen von Motorradlern (alle motorradfahrenden Blogleser, deren motorradfahrende Bekannte, Verwandte, Freunde etc. natürlich ausgenommen).

Hermann, die Stadt ist – ganz im Gegensatz zu mir - derart deutsch, dass einem schon fast wieder Angst werden könnte, würden in dieser Stadt tatsächlich DEUTSCHE leben. Aber hier gibt’s nur Amerikaner mit deutschen Wurzeln und Amerikaner sind im Normalfall unverkrampft, offen und leger. Bis zum ersten Weltkrieg herrschten hier aber noch andere Sitten. Deutsch war die Hauptsprache und man versuchte, die Kinder von der, äh… Fremdsprache Englisch fernzuhalten, weil es einen unerwünschten Akzent ins Deutsche bringt. „Mia san mia. Mehr sog i ned!“

Wäre heute nicht Sonntag sondern Montag, könnte ich in der „Hermann Elementary School“, der „Hermann Middle School“ und zuletzt in der „Hermann High School“ ein wenig über meine Reise erzählen. Andererseits war Sonntag, der „12. September 2010“ sehr gut gewählt, denn die ehemalige „German School“ und derzeitiges „Historic Hermann Museum“ feierte heute nach längeren Renovierungsarbeiten mit viel Trara Wiedereröffnung.


Ich war mittendrin, schon bald bekannt wie ein bunter Hund, wurde herumgereicht und auch die örtliche Presse war in Wort und Bild sehr interessiert. Wann hat man in Hermann schon mal einen Hermann aus Deutschland. Noch dazu einen, der mit dem Rad unterwegs ist.

Sehr interessant fand ich die Hinweistafel in der Mitte des Kartentisches im Historic Hermann Museum: „Antique German playing cards. Circa 1883“. Also für mich sind das ganz normale, wenngleich auch ziemlich schmutzige, Schafkopfkarten. Radl-Be, so sah doch auch ein nagelneuer neuer Pack nach einem Nacht-12er in der SKW aus, oder? Was meinen die Experten?


Auf einer guten alten Schieferntafel (scriiieeeetzsch) hinterlassen deutsche Besucher ihre verbalen Absonderungen. Herrschaften, lassen wir Nebensächlichkeiten wie Inhalt, Originalität und Wortwitz einmal beiseite; WER SCHREIBT DENN HEUTZUTAGE NOCH SO? Oder hab ich mal wieder eine Schulreform verpasst und man schreibt WIEDER so? Passt sich die Schulreform jetzt der Mode an und handelt nach dem Motto "Irgendwann wird's wieder pädagogisch wertvoll"?


Und wer hat da überhaupt Tafeldienst? Der älteste Eintrag von der "Lrfürfurzgnuppr" aus "Msllr" (oder so) stammt aus dem Jahre 1988!

Schön war's und aus is. Morgen steht die letzte Etappe des Katy Trails an. Tja, und dann bin ich schon fast in St. Louis.

Till Senn

4 Kommentare:

  1. "Lrfürfurzgnuppr" aus "Msllr"

    das heißt wohl "Besuchergruppe aus Melle".

    Viele Grüße
    Maria

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  2. Liebe Maria,
    vielen Dank für die Dechiffrierung. Da braucht es also germanistisch geschultes Fachpersonal, oder bin ich der EINZIGE, der das nicht entziffern konnte?

    Hermann

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  3. Hallo Hermann,

    vermutlich hat einer mit dem Sütterlin begonnen (wes Geistes Kind in Amerika ausgerechnet mit "Alt-Deutsch" daherkommt, mag dahingestellt bleiben) - und spätere Besucher haben das wahrscheinlich nachgemacht. So stellt sich mir die Sache dar.
    Aber bitte keine weitere Rechtschreibreform! Habe schon genung graue Haare.
    Bis bald
    Maria

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  4. Hi Herm (und all die anderen Schafkopfer),

    welch geniale Assoziation der "antiken" (ha!) Schafkopfkarten mit dem Nacht-12er in der SKW - aber das muss für alle Nicht-Harter, -Garchinger und Unterneukirchner kurz erklärt werden:
    Der härteste und zugleich lukrativste Studentenjob am Hochofen in den Süddeutschen Kalkstickstoffwerken (SKW) fand sein Highlight immer in den 12-Stundenschichten am Sonntag, insbesondere in der Nachtschicht. Um die lange Nacht zu überstehen, gab es je nach kulturellem oder vortagesnachwirkungs-Hintergrund mehrere Möglichkeiten der Arbeitspausengestaltung:
    die Vortagsfeierer mussten in den Pausen den versäumten Schlaf nachholen (was gelegentlich akustische Signale mit Heiterkeitswert erzeugte),
    unsere Mitbürger und -arbeiter mit anatolischem, kurdischem o.ä. Migrationshintergrund grillten liebevoll vorbereitete meterlange Hammelspiesschen mit allerlei gemüse, isbesondere in weißer Knollenform, über den glühend heißen Abstichpfannen (wo die frisch geschmolzenen Metallegierungen ihrer Abkühlung entgegen(er)starrten),
    und last not least hartgesottene bayr. Kartenkämpfer vertrieben sich Pausenzeiten und Müdigkeit mit exakt den gleichen Schafkopfkarten, die bei dir als antik dargestellt werden (und vielleicht einem kleinen Schlückchen einer dazu passenden kleinen Erfrischung, weil's ja am Hochofen so heiß ist).
    Dabei konnte man trotz der weit verbreiteten Wasch- und Hygienegewohnheiten nicht ganz vermeiden, dass die Karten das eine oder andere Hochofenstäubchen abbekamen und am Ende genauso aussahen wie bei Dir. (Peter, Tom, Heinz, Hako, Günter.... ich denke, Ihr habt ähnliche erinnerungen, oder?

    Bei genauerem Hinsehen würde ich sagen, lediglich der Herz-Unter hat heute einen anderen Hut auf, ansonsten hat der damalige Kartenmaler ein solch zeitloses Design hingelegt, dass ihm die heutigen "Mehr-Schein-als-Design"er noch immer kampflos das Feld überlassen - oder was meint Ihr anderen?

    Komm weiterhin gut zu dir!
    Radl-Be

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