26. Juli (Tag 31)

Bitterroot Valley Campground - Missoula

Tages-Km: 97*
Gesamt-Km: 1.909
Höhenmeter: 232
Zeit im Sattel: 04:31
Wetter: bewölkt
Temperatur: 20 - 27° C

* Bevor sich die Genaunachrechner jetzt öffentlich den Kopf darüber zerbrechen, warum wir von Missoula zum Campground 100 Kilometer, aber dieselbe Strecke zurück nur 97 Kilometer notiert haben, liefere ich die Antwort in vorauseilendem Gehorsam: Als wir ZUM Campground geradelt sind, mußten wir kurz vor der Stadtgrenze Missoulas nochmal umdrehen und einen Radldoktor konsultieren, weil Be, genauer gesagt sein rechter Schuh, eine Schraube verloren hat und die Klickies nicht mehr klicken wollten. Ok?


Abgesang auf die Männlichkeit
Aus gegebenem Anlass noch einmal das Bild des Blogeintrags v. 21. Juli.


In Montana haben Lamas also die Pferde ersetzt. Das ginge ja noch, aber an einer Tankstelle ist mir dieser, nun ja, ... Cowboy aufgefallen. Schuhe und Hut sind Cowboy, der Rest ist besser Schweigen.


Was im Foto nicht zu erkennen ist: das Auto steht neben der Zapfsäule an einer Tankstelle und unser Cowboy striegelt es minutenlang liebevoll und nach allen Regeln der Kunst. Weil es natürlich auffallen würde, wenn einer sein Auto striegelt, benutzt er keinen Striegel sondern einen Abzieher und tut so, als würde er Wasser entfernen, das er wieder und wieder auf die Scheibe gießt und dann wieder und wieder abwischt. Ich konnte mich ungesehen näher schleichen und folgende Konversation bzw. Monolog aufschnappen:

"Goody goody horsy is a, a gaaaaanz a good horsy, yayayayaaaaaa. Is horsy thirsty? yaaaaahyaya, 's horsy is veeeeeery thirsty. yayayahhhhh, a ganz a brava is a's horsy, yaaaaah. Soon gibt's drinky drinky, yaaaaaa. high octan, I promise!..."

In diesem Stil ging das eine ganze Weile dahin. So tief sind Cowboys also gesunken, dass Sie nicht nur Pferde durch Lamas ersetzen und kurze Hosen und T-Shirts zu Cowboystiefeln und -hut tragen. Nein, in dieser Aufmachung striegeln sie auch noch in aller Öffentlichkeit ihre Autos und reden ihnen dabei gut zu! Wenn das John Wayne wüßte! Damals waren Cowboys halt noch Coyboys und Männer noch Männer.

Weil es so schön hierher passt, folgt ein gekürzter Auszug aus dem Songtext "Echte Helden" der Ersten Allgemeinen Verunsicherung:

Echte Helden reiten durch die Nacht.
Echte Helden reiten durch die Nacht.
Echte Helden geben Obacht.

Echte Helden kennen keine Gnade,
Echte Helden, oh no! sie kennen keine Gnade.
Echte Helden gehen nie zum Bade.

Die letzten Helden dieser Erde
satteln ihre Pferde,
und sie reiten vierzig Tage lang
in den Untergang.

Apropos Männer. Wenn man, so wie ich heute, knapp 100 Kilometer neben einem Highway dahin reitet... äh... radelt, geht einem so manches durch den Kopf. In meinem Fall spielte ans naheliegenden Gründen Lärm eine tragende Rolle. Lärm ist das Lebenselexier des Mannes, Lärm unterscheidet den Mann vom Weichei und macht den Mann zum wirklichen Mann. Stellt euch eine Welt vor, in der Rasenmäher, Motorsägen und Bohrhämmer völlig geräuschlos mähen, sägen oder bohren. Flüsterleise Harleys, stumme Mopeds, zivilisierte Biergärten. Das wäre der Untergang der abendländischen und vermutlich sogar der morgenländischen Kultur. Ich lärme, also bin ich! Männer baden sich aus demselben Grund im Lärm wie weiland Siegfried im Drachenblut: um sich unverwundbar zu machen! Lärm macht groß und stark und mächtig und betört die Frauenwelt beinahe so sehr wie ein Rudel übergewichtiger und stark schwitzender Bauarbeiter mit Latzhose samt körperbetontem, dunkelweißem Feinripp-Unterhemd.

Apropos Bauarbeiter: Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade. Dieser Radweg belegt zweifelsfrei, dass die Erbauer entweder betrunken waren oder in Mathematik nicht aufgepasst haben.


Zurück zur Lärmdiskussion: In Asterix als Legionär taucht der Gote Verkrümeldich auf, der mit seinem wuchtigen Fellmantel eine furchterregende Gestalt abgibt, bis er den Mantel ablegt und ein spindeldünnes Männchen dahinter zum Vorschein kommt - aus war der Traum vom Legionär. Genauso ist es mit Männern und Lärm. Nimm einem Mann seinen Lärm weg und er fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus im Sturm und wird noch schlimmer jammern und wehklagen, als er das sonst bei einer leichten Erkältung zu tun pflegt. Wobei - nur Frauen holen sich eine Erkältung, Männer erleiden eine Virusinfektion.

Kurzer Exkurs: Ich hätte heute beinahe zwei junge Frauen überrollt, die - nach Gehör - die Straße überquert haben. Ich war nur ein paar Meter entfernt und mit dem mächtig bepackten Rad und meiner Ballerina-Figur ein optisch durchaus rezipientes Objekt für Lebewesen mit Augen im Kopf. Mit anderen Worten: ich war unübersehbar! Nur akustisch war ich nicht vorhanden für die Mädels, die mit Tunnelblick und laut schnatternd über die Straße gelaufen sind wie Entenküken auf dem Weg nach Panama. Von wegen "Erst links, dann rechts, dann gradeaus, so kommst Du immer gut nach Haus." Das war schon mehr in Richtung "Das Auge zu, die Klappe auf, so nimmt das Unheil seinen Lauf."

Blick in die Zukunft: Ich prophezeie! Elektroautos werden die tödlichen Verkehrsunfälle drastisch ansteigen lassen und dazu führen, dass Gesetze erlassen werden, nach denen auf dem Dach des Autos ein Lautsprecher angebracht werden muß, der Motorgeräusche in hoher Lautstärke simuliert. Elektro-Rasenmäher, -sägen und -bohrhämmer werden die Suizidraten bei Männern in ungeahnte Höhen treiben und dazu führen, dass meine folgende Idee die Erfindung der Handies (deutsch: "Handy's" samt falschem Apostroph) in den Schatten stellen wird. Ich spreche von einer Art Wikinger-Helm (die Wikinger waren ja auch furchterregende Gestalten, die jede Menge Lärm veranstaltet haben), einem Helm also, der in Wirklichkeit ein technisch ausgefuchster Lärmgenerator ist. Der Helm enthält ein 5-Kanal Dolby Surround System samt Kopfhörer vom Allerfeinsten. Der Mäher, Säger oder Bohrer kann dann aus einer unüberschaubaren Liste von Soundeffekten jeweils genau denjenigen auswählen, nach dem er sich gerade fühlt. Viele Frauen fühlen sich ja auch das eine Mal nach dieser Hose, ein andres Mal nach jenem Kleid. Was übrigens auch der Grund dafür ist, dass sie im Gegensatz zu mir nicht schon Wochen vorher für den Urlaub packen können, da sie ja heute nicht wissen können, wonach sie sich in zwei Wochen fühlen werden. Ich bin in diesem Punkt für Gleichberechtigung. Warum soll sich der Mann nicht auch heute nach dem Husqvarna Yard Pro 53-625 D* fühlen dürfen während ihm morgen vielleicht der Sinn nach dem TE 80-ATC AVR Combi hammer** aus dem Hause Hilti steht. Wer sich den Husqvarna Yard Pro 53-625 D oder den TE 80-ATC AVR Combi hammer nicht leisten kann oder will, der lädt einfach den entsprechenden Sound in den Wikinger-Helm und zieht in die Schlacht.

*(Leistung: 4.410 Watt / Leistung: 6,0 PS / Motorfabrikat: Briggs & Stratton / Hubraum: 190 cm³ / Tankinhalt: 1,5 Liter / Radantrieb / Startsystem: Elektrostart / Schnittbreite: 53 cm / min. Schnitthöhe: 32 mm / max. Schnitthöhe: 95 mm / zentrale Schnitthöheneinstellung / Schnitthöhenverstellung: 7-stufig / Fangkorbvolumen: 75 Liter / Gehäusematerial: Stahl / höhenverstellbarer Griff / Sicherheitseinrichtungen: Bügelschalter, Motorstopp)

**(TE-Y chuck SDS Max, 1700 W, 10.2 kg, Active Vibration Reduction, Active Torque Control)

Liebe Frauen, eure Männer werden feuchte Augen bekommen, wenn unterm Weihnachtsbaum das neue Soundpaket für den verhassten flüsterleisen Laubsauger liegt! Und noch ein Tipp: wenn es euch gelingt, in die unvermeidliche elektronisch erzwungene stille Welt der Zukunft die guten alten Staubsauger, Waschmaschinen, Spülmasschinen oder Kochgeräte hinüberzuretten, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der verzweifelte Mann in seiner Sehnsucht nach Lärm plötzlich zum Hausmann wider Willen wird.


Till Senn

2 Kommentare:

  1. Hallo Cowboy in Radklamotten,
    das fehlende Motorengeräusch für das Elektroauto hat der Japaner bereits erfunden und der Chinese hat schon ein billigeres Imitat gebaut. Wahrscheinlich waren die ersten Fußgänger, die von einem geräuschlosen japanischen Elektroauto überfahren wurden, amerikanische Ratschtanten.

    Sofort muss ich für die holde Frauenwelt in die Bresche springen, was das Packen angeht. Ich, eine Frau, habe bereits EINE WOCHE VOR meinem Abflug gepackt. Ich gehe dabei mit Packliste vor. Und neben allen Artikeln, die noch zu einem fertigen Koffer fehlen, habe ich ein Rufzeichen gemacht. Hm. Von 30 Artikeln habe ich 27 Rufzeichen. Aber der Rest ist gepackt!!! Eine Woche vorher!!!

    AntwortenLöschen
  2. @Angie: Das dachte ich mir schon, dass die Chinesen nicht nur billigeres Plastikspielzeug, sondern auch billigere Geräusche herstellen ("bauen")

    AntwortenLöschen