30. Juni (Tag 5)

Larrabee State Park - Surrey

Tages-Km: 72

Gesamt-Km: 296

Höhenmeter: 260

Zeit im Sattel: 4:28 Stunden

Wetter: leicht bewölkt / sonnig

Temperatur: 6 - 17° C

Welcome to Canada!

Frösteln bis Frieren ist derzeit mein Dauerzustand. Heute Nacht sank die Temperatur auf 6° Celsius. Wenn mir die Leute erzählen: "It's unusually cold for this time of the year. It should be around 25 to 28 ....", dann lächle ich mit zusammengebissenen Zähnen und verfluche still mein Karma. Sechs Grad im Hochsommer lassen uns überlegen, ob wir die Räder nicht besser gegen Firngleiter ("Figerl", wie der Bayer sagt) eintauschen sollen. Im Augenblick herrschen hier ausgezeichnete Wintersportbedingungen. Radeln ist im Moment so sinnvoll wie Eislaufen in Dubai.

Aber wenn der Radlhans sagt "never surrender", dann surrendern wir auch never sondern packen brav die Zelte zusammen und radeln in der Hoffnung auf ein kräftiges Frühstück vom Larrabee State Park im Eiltempo nach Bellingham. Als ich dort dieses Schild zur Fähre nach Alaska entdecke, sinkt meine Körpertemperatur trotz Armlingen und Beinlingen gleich noch einmal um zwei bis vier Grad. Brrr!

Allerdings setzt sich die Sonne langsam aber sicher durch und nach dem Frühstück wird es zum ersten Mal beinahe angenehm. Ich würde mich sogar soweit aus dem Fenster lehnen und behaupten, es wurde im Laufe des Tages fast warm. Etwa so wie an einem sehr milden Februartag in Novosibirsk. (Dort ist es übrigens derzeit wärmer als hier: Sonntag: 13 - 22 Grad, Montag: 15 - 27 Grad; An dieser Stelle einen herzlichen Gruß an Angie, die immer das Wetter in Novosibirsk mit dem in Altötting vergleicht und sich dann meistens über das ... äh... "relativ" gute Wetter in Altötting freut. So - und bevor mir jetzt die ersten Schlauberger mit dem herrlichen Sommerwetter in Deutschland daherkommen. ICH WEISS!)

Egal - die Sonne tut gut und als ich das erste zementierte Hardcore-Statement meiner Lieblingsfeinde entdecke, blüht mein Herz so richtig auf: Es gibt sie also nicht nur im Bible Belt sondern auch hier oben. Während ich noch grüble, wie das mit der weggenommenen Natur und der Sünde im Fleisch jetzt so genau gemeint ist (wie kommt sie da hinein? Ist sie jetzt draußen? Wenn nicht, wozu der Hokuspokus? Wann ja, wozu der Hokuspokus?), erreichen wir die kanadische Grenze. 

Die Einreiseformalitäten gestalten sich überraschend unkompliziert. Der Grenzer ist beeindruckt von unseren Heldentaten und ruck-zuck haben wir die Stempel im Pass und dürfen weiter radeln. Zum wiederholten Male denke ich mit einem mulmigen Gefühl an all das Gepäck, das ich durch die kanadische Bergwelt und die Rocky Mountains schleppen will. In Gedanken sortiere ich den Inhalt der Taschen und des Anhängers vorsorglich schon einmal in die Kategorien

a) MUSS haben

b) muss AUCH haben

c) müsste EIGENTLICH haben

d) könnte VIELLEICHT... ABER EIGENTLICH DOCH eher Kategorie c, b oder a.

Ergebnis: Ich muß die Kategorisierung überdenken. So wird das nichts.

Frage an die Leser: Was ist das für ein Auto? Wir konnten jedenfalls keinen Hinweis auf Hersteller und/oder Modell an dem antiken Stück ausfindig machen.

Unglaublich, aber wahr: Zum Abendbrot scheint die Sonne. Bitte ein Bud: Prosit!