02. - 03. Juli (Tage 7/8)

Fußball (statt Schokolade) zum Frühstück

Das Spiel Deutschland - England vor ein paar Tagen hatten wir noch verpasst, aber das Desaster der Brasilianer und UNSEREN Kantersieg durften wir live mitverfolgen; mit Kaffee anstelle von Bier. Der Anpfiff erfolgte nämlich pünktlich um 07:00 Uhr morgens. Der kanadische Fernsehreporter hat trotz der frühen Stunde beide Partien mit einer Mischung aus Fachkompetenz und Hingabe kommentiert, die ich sonst nur von ORF 2 her kenne. Fußball statt Schokolade zum Frühstück. Am kommenden Dienstag müssen wir jetzt natürlich das Zelt schon wieder gegen ein Motel eintauschen, damit wir am Mittwoch zum Fußballfrühstück um 07:00 Uhr dabei sind, wenn WIR die Spanier mit 5:0 nach Hause schicken. Und ein paar Tage später folgt dann im Finale das 6:0 gegen die Niederländer. 1974, die Zweite. Und wieder wirbelt ein Müller mit der Rückennummer 13 im Strafraum...

Ähem... Räusper. von der sportlichen Begeisterung zurück in die Niederungen unseres Radausfluges. Zwei Tage faulenzen, Wärme und Energie tanken für den nächsten Abschnitt der Tour. Na ja, so ganz war das doch nichts mit dem Faulenzen. Wir durften Ean gestern ein klein wenig zur Hand gehen, nachdem man uns Ketten angelegt und eine Schaufel in die Hand gedrückt hat. Quatsch, alles Quatsch. Der Eindruck täuscht. Wir haben nur ein paar Schubkarren voll geschaufelt und hinter das Haus gekarrt. Ean hat dort in in jahrelanger Arbeit aus Hunderten von eigenhändig hochgeschleppten und je 35 Kilogramm schweren Steinquadern eine Mauer gebaut, die sich nicht vor dem kleinen chineschen Bruder zu verstecken braucht.



Be war heute Nachmittag mit Ean auf einen "kleinen Spaziergang in den Bergen". Sein Kommentar: "Beeindruckend. Ean ist einfach in einer völlig anderen Liga." Wo andere (Be natürlich ausgenommen!) längst mit doppelten Infusionen im Sauerstoffzelt liegen, sieht Ean immer noch so aus:


Ean "Action" Jackson, der Skilehrer, "ultra runner", Triathlet, Bergläufer und sportlicher Tausendsassa liefert mehr Energie als ein mittleres Kernkraftwerk, lacht gerne und erweist sich zudem auch noch als Sprachtalent. Französisch und Deutsch spricht er sowieso schon hervorragend. Aber nach fachkundiger Anleitung konnte selbst die härtesten bayrischen Zungenbrecher in wenigen Minuten fast akzentfrei herunterrasseln und hat damit die Oktoberfestreife mit Bravour bestanden.

Bäckermeisterin und Radelkönigin Sibylle Tinsel hat uns gestern Abend die Fotos ihres 18-monatigen Rad-Abenteuers durch Südamerika gezeigt. Ohne jegliche Tourenerfahrung, ohne Zelt, Kocher und nur mit einem 350-Dollarrad samt Stoff-Packtaschen hatte sie sich Ende der 80er Jahre mit einer Freundin von Südkalifornien aus auf den langen Weg ins Ungewisse gemacht.



Zwei Frauen allein mit dem Fahrrad durch Mittel- und Südamerika! Wenn man Sibylle fragt: "Wieso mit dem FAHRRAD?" antwortet sie: "Weil ich Busfahren hasse." Klar, eigentlich logisch. Wer nicht gerne in den Bus steigt, der fährt die 20.000 Kilometer eben mit dem Fahrrad und schwimmt in piranhaverseuchten Gewässern. ("Auf die Würmer an den Angelhaken sind sie losgegangen wie die Wilden. Aber uns beißen nicht; das hat man uns versichtert! Und sie HABEN uns nicht gebissen"). Sibylle, ich werde jedes Mal an Dich denken, wenn ich das Rad in die Ecke werfen und mit dem Bus weiterfahren möchte. Oder nicht duschen mag, weil mir das Wasser zu kalt ist.

Ausblick: Kettle Valley Rail Trail - Einst Schienen, heute Radweg
Morgen früh brechen wir in östlicher Richtung auf. In zwei Tagen wollen wir - nomen est omen - die Stadt Hope erreichen. Dort beginnt der Kettle Valley Rail Trail, eine der Perlen der gesamten Tour. (http://www.kettlevalleyrailway.ca). Der Bau der ehemaligen Bahnlinie durch diese wilde und ungezähmte kanadische Bergwelt gilt bis heute als Meisterstück. Kurz vor der Fertigstellung des letzten Teilstückes fielen im Dezember 1914 am Coquihalla Pass insgesamt 20 Meter (!) Schnee und verzögerten die Fertigstellung der Linie um mehrere Monate. Allein der 61 Kilometer lange Abschnitt zwischen Hope und Coquihalla zählte im Originalzustand 43 Brücken und 12 Tunnels.

Budgetkürzungen, Bergrutsche, die Stillegung der Silber- und Kupferminen sowie der unaufhaltsame Vormarsch der Autos und Trucks machten der Bahn das Überleben immer schwerer und führten schließlich dazu, dass 1961 die erste und 1989 die letzte Teilstrecke stillgelegt wurde. Statt Zügen findet man auf der ehemaligen Bahntrasse heute abenteuerlustige Reiter, Wanderer - und Radler. Wir werden sehen...

4 Kommentare:

  1. Hi Hermann

    ich als alter Baumensch habe die Sorge, dass die Holzstangal neba da Bruck'n eventuell mal Bestandteile selbiger waren... Du eriinnerst Dich an Sir ALEC Brücke am Quai, das erste Mal gesehen im Kine 'Taufer' Hart... muß Jahrhunderte her sein,
    also vorsichtig, vielleicht lasst Du den Be zuerst darüber rollen.

    Liebe Grüsse
    Joe

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  2. Hi Hermann,

    und da ich grad zeit zum nachdenken habe,
    ich als noch nichtinamerikagewäsener fände es ganz hilfreich, wenn Du eine karte mitführen würdest, in größerem Massstab, wo e.g. ein Wochenabschnitt markiert ist, damit der räumliche Umgriff besser verständlich wird; hoffentlich verlange ich nicht zu viel.

    LG Grüsse
    Joe

    p.s. Vielleicht kannst Du den Be beim Überqueren der doch etwas einsturzgefährdeten Brücke (Kattle Valley) mit einem Seil, wie bei einer Gletscherquerung sichern; jedoch im Notfall - nutze Dein Bowiemesser, oder Leatherman oder so ein Hilfswerkzeug

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  3. ...und hier die Bilder von Eurer Abfahrt in Nord Vancouver http://www.flickr.com/photos/turtlepace/tags/transamerica/show/

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  4. ...also, die Menge an Restholz (=Überbleibsel?) am Fuss der Holzbrücke würde mich schon etwas stutzig machen...!!!

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