08. Juli (Tag 13)

Vorwort: Ich weiß, wir waren lange offline. Es gibt uns noch und hoffentlich auch wieder ein paar Blogeinträge. Leider ist Internet Mangelware bislang. Und solange wir noch durch die Rockies und Nationalparks tingeln, wird das vermutlich auch so bleiben. Ich bitte um Nachsicht und Geduld. Jetzt geht's erst mal mit dem Reisebericht v. 8. Juli weiter.

Kettle Valley Trail - Tag 2
Othello Tunnel Campground - Coquihalla Pass

Tages-Km: 50
Gesamt-Km: 600
Höhenmeter: 942
Zeit im Sattel: 4:03
Wetter: sonnig
Temperatur: 30 - 35° C


Heat

Lt. Vincent Hanna (Al Pacino) und Neil McCauley (Robert De Niro) traten 1995 in "Heat" gegeneinander an. 15 Jahre später erleben Be (Be) und Hermann (Hermann) ihre ganz persönliche Neuverfilmung von "Heat".

Angefangen hat der Tag harmlos. Das Bild zeigt Blogger bei der Arbeit. Nicht ahnend, was uns heute bevorsteht, nutzen wir - zum letzten Mal für viele Monde - die dicke Internetleitung des Campingplatzes.


Für heute ist Sonne angesagt. Die Temperaturen sollen auf etwa 35 Grad klettern. Wir trödeln und mailen und bloggen und kommen erst gegen 10:30 Uhr los. Die angenehme Kühle des Morgens hat den Kampf gegen die Sonne längst verloren. Sie strahlt übers ganze Gesicht: Grillgut auf zwei Rädern ist im Anmarsch.

Zu unserem größten Bedauern ist der Kettle Valley Trail fürs erste nicht befahrbar. Jedenfalls nicht für unsere Räder und schon gar nicht für unser Gepäck. Für Geländeradler auf Tagesausflug JA, aber NEIN für uns. Also weichen wir auf den den Highway 5 aus, die einzige Alternative. Die stark befahrene Straße führt über den Coquihalla Pass und beginnt mit einer trügerisch sanften Steigung von ein paar Prozent, die sich aber schnell zu einer saftigen, teilweise alpinen Steigung mausert. Bei Windstille quälen wir uns den Pass hinauf, während uns die Sonne grillt wie Hendl am Rost. Ich kann unmöglich soviel trinken wie ich schwitze. Be ergeht es nicht viel besser. Als radelnde Kieslaster tropfen wir uns auf der Standspur im Schneckentempo nach oben, während die Trucks teilweise beängstigend nahe an uns vorbeiziehen. Manche sind kaum schneller als wir.


Ein Exemplar (nicht der im Bild) hätte mich in einer Rechtskurve beinahe von der Straße gefegt bzw. an der Mauer am Straßenrand zermalmt. Fünfzehn bis zwanzig Zentimeter haben laut Be noch gefehlt, der hinter mir geradelt ist. Der Schreck saß tief und ich war vorübergehend wie gelähmt. Ausnahmen: beide Mittelfinger und Stimmbänder.

Bei brütender Hitze und glühenden Oberschenkeln waren wir ständig auf der Suche nach der nächsten schattigen Stelle: zu Atem kommen, trinken, ein wenig abkühlen und es bis zur nächsten Schattenstelle schaffen. Und dann - ahhh...

Nach einer kleinen Ewigkeit und 6 Litern Wasser hatten wir die 942 Höhenmeter hinter uns gebracht. Die ersten vier Gipfelbier waren unbeschreiblich, die zweiten vier köstlich und die dritten vier haben immer noch hervorragend gemundet.


Just kidding. Das einzige, das wir zu trinken hatten, war 35 Grad heißes Wasser. Es gibt nichts Entwürdigenderes, als auf einem eben bezwungenen Gipfel das Gefühl zu haben, man schlürfe am Ende des Warmbadetages das Kinderplanschbecken aus.

An einer Raststätte finden wir einen "Snack-Shop" auf Rädern, der kühle Getränke verkauft. Wir zahlen ein großes Vermögen für ein paar kleine Flaschen Saft. Warum Saft und kein Bier? Alkohol gibt's in Kanada nur im Liquor Store. Immer, wenn ich einen Sixpack im autorisierten Fachhandel erstehe, fühle ich mich, als würde ich vor den Augen der Welt einen Pornoladen betreten. Ich frage mich jedes Mal, was die Leute denken, die mich beim Betreten eines Liquor Shops ertappen: "Sieh einer an, der Typ kauft Bier. BIER! Oh mein Gott!! Wohin sind wir nur gekommen, wenn solche Kerle frei herumlaufen dürfen. Und jetzt lacht er auch noch. Wiegt den Sixpack küssend im Arm wie ein Neugeborenes und schämt sich nicht einmal. Vor den Augen der Welt. Womöglich trinkt er das Zeug am Ende noch! Sodom und Gomorrah..."

Vom Snack-Shop Besitzer erfahren wir, dass der einzige Campingplatz weit und breit und damit auch der, den wir uns für heute ausgeguckt hatten, nicht mehr existiert. Also schlagen wir unsere Zelte kurzerhand auf dem Rastplatz auf. Ich fahre heute keinen Meter mehr. Nicht mal bergab.

Falls der ein oder andere bzw. wohl eher DIE eine oder andere jetzt die Nase rümpft und irgend etwas von "Hygiene", und "Duschen" vor sich hinmurmelt. Moooo-ment! Auf diesem Rastplatz schlägt die Stunde unserer mobilen Dusche, einem 10 Liter fassenden Plastiksack, in das man oben Wasser füllt und unten über einen Duschkopf auf den schmachtenden Körper rieseln lassen kann. Damit der Körper nicht am Kälteschock des Gletscherwassers stirbt, geben wir noch einen Liter kochendes Wasser zu. Wir wurden weder vom aufgebrachten Pöbel gelyncht noch von der Polizei verhaftet. Daraus schließe ich, dass die Kanadier nicht so prüde sind wie die Amerikaner. In den USA würde ich nicht auf einem Rastplatz duschen.





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