12. - 15. Juli (Tage 17 - 20)

Abbruch - Umbruch - Aufbruch

Nach dem Entschluss, den Kettle Valley Trail abzubrechen, gibt es nur ein Ziel: so schnell wie möglich nach Banff, um dort auf dem "Great Parks North Trail" durch kanadische und US-amerikanische Nationalparks nach Süden zu radeln. Peachland ist nur 35 Kilometer von Kelowna am Okanagan See entfernt. Es gibt laut Google dort zwei AVIS-Stationen sowie eine Reihe von Autovermietungen am Flughafen.

Als wir ein Café zum Frühstücken ansteuern, spricht uns ein Herr an: "Are you cycling the Tour de France?" Ich antworte: "Yes, but we are lost." Das ist der Auftakt zu einem Gespräch, das wenige Minuten später in dem Angebot mündet, dass wir erstens ein Auto bekämen, damit wir nicht nach Kelowna zur Autovermietung radeln müssen und dass wir zweitens - wenn wir den wollten - gerne im Gästehaus mit Blick über den Okanagan See übernachten können. Welch ein Angebot! Roger und Pia, an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für eure Gastfreundschaft.


Unser Ausblick vom Gästehaus
Gesagt, getan und eine Stunde nach dem ersten Wortwechsel sind wir mit einem VW-Bus unterwegs nach Kelowna. AVIS-Station Nr. 1 gibt es nicht mehr. Nr. 2 dito. Am Flughafen gibt es AVIS, aber "no one way car. We need all the cars here." Also einen Schalter weiter zu NATIONAL. "Yes Sir, one way is no problem. You can have a car in three days." Witzbolde. Soll ich bis dahin auf dem Flughafen wohnen wie Tom Hanks in "The Terminal"? In drei Tagen???? Nächster Versuch BUDGET: "Yes Sir. No Problem. You have to pay a drop fee of 600,- Dollar for the one way ride." 600 Dollar Einweg-Zuschlag? Die spinnen. Schwenk zu Plan B: Bahn. Ja, sagt man uns in der Touristeninformation, es gäbe ein Zug nach Banff, aber der nimmt keine Räder mit. Es führe allerdings einer nach Jasper, der Räder mitnimmt. Was uns nichts hilft, weil wir die Räder nach Banff bringen müssen. Also Plan C: Greyhound. Dafür, so erfahren wir, müssen wir die Räder in Kartons verpacken. Also fahren wir zu einem Radladen und erbetteln zwei Kartons. Weil ich unangenehme Überraschungen gerne vermeide ("Aber doch nicht DIESE Kartons, nein nein. Das müssen schon ganz ANDERE Kartons sein. DIESE Kartons nehmen wir nicht mit, nur die ANDEREN.") fahren wir mit den erbettelten und noch leeren Kartons zur Greyhound-Station. Die Kartons sind kein Problem, aber der Mensch darf nur ein Gepäckstück von maximal 25 Kilogramm mitnehmen. Haha. Wir, mit unseren vielen und schweren Gepäckstücken. 25 Kilo, da ist ja jede durchschnittliche Damenhandtasche schwerer. Zurück zu Plan A. Kurz VOR dem Flughafen haben wir auf der Rückfahrt eine BUDGET Station entdeckt. Wir sprechen vor und siehe da, erst geht die "drop fee" von 600 auf 500 Dollar runter und zwei Minuten später ist sie ganz weg. Warum? Weil der äußerst bemühte und rührige Angestellte ein Auto findet, das "one way" aus Banff hier her kam und nun zurück nach Banff muß. Sehr schön! Geduld ist alles. Und wer mich kennt, der weiß, dass Geduld zu meinen größten Tugenden zählt.

Stolz präsentiert uns der Budget Angestellte das Auto, einen Ford "Flex". Ich fände Ford "rigor mortis" treffender, denn das Teil sieht aus, wie ein Luxus-Leichenwagen. Egal - der riesige Laderaum ist wie geschaffen für zwei Räder, einen Anhänger und viel Gepäck.



Wir verbringen einen schönen Abend mit Roger und Pia, bevor wir uns nächsten Tag nach einem herzhaften Frühstück auf den Weg machen. Be will unbedingt Jasper sehen - also werden wir eine große Schleife drehen. Zuvor aber gönnen wir uns noch ein letztes Stück Kettle Valley Trail, das wir ohne unser Auto nicht erreichen hätten können: die "Trestles" (Gerüstbrücken) des Myra Canyons. Wir erklettern die vielen hundert Höhenmeter mühelos mit dem rigor mortis und machen uns bei Temperaturen wenig über dem Gefrierpunkt auf eine kurze, aber außergewöhnliche Reise.

Eine Eisenbahn durch diese Berglandschaft überhaupt nur in Betracht zu ziehen, ist schon der blanke Irrsinn. Aber McCulloch - ja, der mit den Othello Tunnels - hat sie geplant und bauen lassen. Der Kettle Valley Trail ist ein Wunder und der Myra Canyon ist das Prunkstück. Weil es "The Trestles" eine Touristenattraktion sind, befindet sich die Trasse auch in einem gut befahrbaren Zustand. Wäre sie immer so wie hier, hätten wir die gesamten 600 Kilometer problemlos radeln können. Wäre, hätte, wenn und überhaupt.






Die Fahrt durch den Myra Canyon zählt zum Schönsten, was man als Radler erleben kann. In fast 2000 Meter Höhe auf einem Schwebebalken-Radweg mit einer maximalen Steiung/Gefälle von 2% über Schluchten, durch Tunnels und vorbei an Felsen, Bächen und Wiesen, das ist einfach surreal genial. Der Myra Canyon gehört ohne Wenn und Aber in die Hall of Fame der Radwege.

Wir verabschieden uns endgültig vom Kettle Valley Trail und fahren viele hundert Kilometer nach Norden, nach Jasper und zu den Rocky Mountains. Hier begegnen wir gleich deren höchstem Vertreter, dem 3.954 Meter hohen Mount Robson. (Wer genau hinsieht, kann rechts oben kurz unter der Wolkengrenze noch das Zelt erkennen, das wir ...)


Kanada ist Bärenland. Schwarzbären und Grizzlybären. Seit wir zelten (wild und auf Campingplätzen), halten wir uns streng an die Vorsichtsmaßnahmen und hatten bislang auch keine Probleme. Dieser Schwarzbär spazierte in aller Gemütsruhe neben der Straße entlang und hat sich auch keine Sekunde für uns interessiert.



Neben Bären gibt es natürlich auch noch jede Menge "Deer". Das hier ist ein Wapiti-Hirsch, der größte Hirsch, den es auf diesem Planeten gibt (auch wenn Frau S. aus AÖ hin und wieder anderer Ansicht ist.)



Be hat noch schnell einen Abendspaziergang unternommen, der einige hundert Höhenmeter umfaßt.


Tara! Die kanadische Antwort auf den Königsee: Lake Louise.



Zum Abschluss noch zwei Kanada-Bilder ohne Worte:





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