19. Oktober (Tag 116)

Hutchinson Island, FL – Palm Beach, FL

Tages-Km:  106
Gesamt-Km:  7.064
Zeit im Sattel: 5:17
Wetter:  Sonnig
Temperatur:  19 – 27°C


Es ist jetzt 21:00 Uhr. Michael Price hat mich eben wieder vor dem „Bradley Park Hotel“ in Palm Beach abgesetzt, vor dem er mich knapp zwei Stunden früher abgeholt hat. „Soso“ sagt ihr, „und wer ist Michael Price?“ Ein Fotograf (http://www.michaelpricephotography.com/) und leidenschaftlicher Radler, dem ich etwa 15 Kilometer nördlich von Palm Beach begegnet bin. Weil Michael unterwegs nur sein i-Phone dabei hatte, musste dieses als Fotoapparat herhalten:

Foto von Michael Price, West Palm Beach
Gleich nach den ersten Sätzen schlug Michael vor:  „Herman, I show you the way to your hotel. I pick you up at 6:30 and we go to an Irish Pub.“  Gesagt, getan und um Punkt 18:30 Uhr stand Michael mit seinem blauen SUV vor der Tür. Er hat mir auf dem Weg zum Pub unter anderem von Dahao, dem Chinesen erzählt, der vor kurzem für ein paar Tage bei ihm gewohnt hat. Dahao radelt seit 12 Jahren (!) um bzw. durch die Welt. Auf Packtaschen oder Anhänger verzichtet er und schleppt rund 45 Kilo Gepäck lieber auf dem Rücken um den Globus.

Foto von Michael Price


Der Abend war perfekt. Wir saßen vor dem Pub an einem kleinen Tisch auf dem breiten Gehweg, um uns herum die Lichter der Großstadt, das Leben, der Trubel, die Schönen und Reichen auf dem 4-spurigen Laufsteg, sommerlich milde Temperaturen um die 23 Grad und erstklassiges Guinness vom Fass. Diese völlig ungeplanten und zufälligen Begegnungen sind das Salz in der Suppe solcher Reisen. Mit manchen wechselst Du zwei Worte, mit anderen verbringst du einen schönen Abend. Ich wiederhole mich, ich weiß. Aber das Lieblingsgericht schmeckt einem ja auch mehr als einmal, oder? Als Nachtisch gab’s übrigens noch eine ausgiebige Rundfahrt durch das nächtliche Palm Beach sowie das Angebot, jederzeit bei ihm wohnen zu können, wenn ich das nächste Mal in Palm Beach bin. Was ich zwar bis heute eigentlich nicht vorhatte, aber jetzt… Mal sehen. Von Ormond Beach sind es mit dem Auto nur etwa zwei bis drei Stunden hierher. Ich glaube, ich kenne da jemanden, der gerne mal Palm Beach kennenlernen möchte, oder Angie?

Der siebte Tausender
7 ist eine natürliche Zahl. Sie liegt zwischen 6 und 8, ist ungerade und eine Primzahl. Das ist schon mal nicht schlecht für den Anfang, aber noch lange nicht alles. 7 ist eine heilige Zahl! Die Welt wurde in 7 Tagen erschaffen, es gibt 7 Weltwunder, 7 Meere, hinter den 7 Bergen wohnen 7 Zwerge, die Woche hat 7 Tage und von Peter Maffay haben wir gelernt, dass wir über 7 Brücken gehen, 7 harte Jahre überstehen müssen und 7 mal Asche sein werden. (Häh? Na ja, was willst Du schon erwarten von jemandem, der seine Straße ohne Blick geht und sich sein Schaukelpferd zurückwünscht.)  Das bloße Auge kann 7 Himmelskörper erkennen: Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Den Babyloniern, die ja sowieso mehr für Klotzen und weniger für Kleckern bekannt waren, galt die Zahl 7 als Zentrum von ALLEM und der sumerische König Lugulannemundu  opferte  49 (7x7) Ochsen und Schafe zur Einweihung eines Tempels mit 49 (7x7) Toren für die Göttin „Nintu“. Perser, Inder und Buddhisten sahen/sehen die 7 als etwas Besonderes an. Die antiken Griechen  hatten 7 Weise, weihten die Zahl  7 dem Gott Apoll und ein Schüler des Phytagoras kam sogar dahinter, dass die 7 die Summe von Viereck und Dreieck ist. Wow. Guter Schüler. Hat sich gelohnt, dass Pythagoras himself die Klassleitung hatte. 3 + 4 = 7. Ich meine, da mußt Du erst mal DRAUF KOMMEN! Gott hat die Welt in 7 Tagen erschaffen, der Sabbat ist der 7te Tag der Woche, und der heilige Leuchter hat 7 Arme. (Ein 7-armiger heiliger Armleuchter?) Trinität plus die vier Elemente ergeben wieviel? Richtig: SIEBEN.  Jesus spricht 7 letzte Worte am Kreuz und bei der Brotvermehrung sind es anfangs 5 Brote und 2 Fische. Der Evangelist Matthäus erzählt 7 Gleichnisse und Johannes erzählt von 7 Wundern. Den Johannes samt seiner überquellenden Symbolik schenken wir uns an dieser Stelle. Das Vaterunser besteht aus 7 Bitten und Gregor der Große hat 7 Tugenden und 7 Laster aufgelistet. Wieviele Sakramente gibt es? Genau. Und wieviele Gaben des Heiligen Geistes? Genau. Wir sind im 7ten Himmel und selbst der Islam verehrt die Sieben Heiligen von Marrakesch und der gläubige Moslem umschreitet die Kaaba 7 mal. Ein Buch mit 7 Siegeln? Jetzt reichts! 

Was ich sagen wollte: Während der heutigen Etappe ist der Kilometerzähler von 6.999,99 auf 7.000 umgesprungen. YEAH! Der siebte Tausender ist überschritten. Y.E.A.H.!!!  Wäre da nicht diese klaffende Wunde in Wyoming, wäre es ein Achttausender geworden. Aber das ist Schnee von gestern (Schnee, RADLHANS, S.C.H.N.E.E. !!!!)

Es folgen die Bilder des Tages:




Banyan Baum-komma-der-Doppelpunkt: Der Banyan wächst epiphytisch auf einem beliebigen Wirtsbaum, der zunächst keinen Schaden nimmt, da der Banyan kein Schmarotzer ist. Er sendet Luftwurzeln aus, die sich mit der Zeit zu einem dichten Netz entwickeln. Haben die Wurzeln den Boden erreicht, kommt es zu einem Wachstumsschub, da die Pflanze nun nicht mehr ausschließlich auf das Substrat, das sich auf dem Wirtsbaum angesammelt hat, angewiesen ist. Mit zunehmendem Wachstum wird der Wirtsbaum erdrückt und stirbt schließlich ab.
Banyanbäume erreichen eine Wuchshöhe von 20 Meter, selten bis 30 Meter. Die Borke ist grau und glatt, der unregelmäßig geformte Stamm ist kurz und teilt sich bald in weit ausladende Äste. Das Holz ist weich, wenig dauerhaft und nur von geringem wirtschaftlichen Nutzen. Den Seitenästen entspringen Luftwurzeln, die sich bei Bodenkontakt verdicken und stammähnlich die Krone stützen. Auf diese Weise kann der Banyanbaum mit der Zeit eine Bodenfläche von mehreren Hundert Quadratmetern bedecken.

Wie üblich bin ich auch im Parkhotel, Palm Beach verdreckt, verschwitzt und salzverkrustet angekommen und schnurstracks in Radlhose, Trikot, Helm und Handschuhen lächelnd am Springbunnen vorbei über das Marmorparkett und durch die Mahagoni-Türe (der Rahmen, nicht das Glas) einmarschiert und niemand hat die Polizei alarmiert sondern alle haben mich freundlich und zuvorkommend behandelt. Es lebe der amerikanische Service!



Wo sonst hochhackige Blondinen mit künstlich erweiterter Über-Oberweite ober-überzüchtete Pudel in pinfkfarbenen Leibchen hinter sich herzerren, durfte ich heute meinen Radl-Anhänger unter „Ahhs“ und „Ohhs“ der Gäste gleich einem Schubkarren durch die Lobby vor mir herschieben, ein Rund-um-Grinsen im Gesicht, das ich bis jetzt noch nicht ganz los bin. Ob ich jemals die Pubertät überwinde? "Gott bewahre!", wie wir Atheisten gerne scherzen.

Till Senn 









3 Kommentare:

  1. Hi Hermann,

    herzliche Glückwünsche zur 7000er-Marke! RESPEKT!!!

    Ciao
    Tino

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  2. Jetzt wird auch klar, warum Schafkopfen das Spiel für Atheisten ist: Acht Laufende. A.C.H.T.

    Und: Alle ACHTung für die 7.000!

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  3. Herzlichen Glückwunsch zur 7000! So viel bin ich in 1 Jahr nicht mit meinem neuen Auto gefahren wie Du in 1 Urlaub mit dem Fahrrad. Respekt.
    Zum Foto des "Weißichnichtsiehtaberschönaus": Wenn ich meine Vor-Jahren-mal-Biologie-studiert-Kenntnisse rauskrame und die Pflanzen auf meiner Fensterbank angucke, sieht mir das sehr nach einem Kroton aus. Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Kroton_(Pflanze), sagt: "Im gesamten Tropengürtel die Sorten in Parks und Gärten gepflanzt. In kühleren Klimaten dient sie als Zimmerpflanze." (Tja, das ist der Unterschied zum nasskalten Hessen ...)

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