14. Oktober (Tag 111)

Biketoberfest in Daytona Beach


Amerikanische Motorradfahrer sehen sich als moderne Cowboys und sind damit das lauteste Oxymoron, das mir jemals zu Ohren gekommen ist. Sie nennen sich „Biker“. RICHTIGE Biker, also diejenigen, die lärmoptimierte Harleys fahren, sehen meistens aus wie Hägar, der Schreckliche, haben ihren 57sten Geburtstag schon ein paar Jährchen hinter sich, sind schwerhörig und leiden vorzugsweise unter Blasenschwäche oder maladen Knien - oder beidem. Auf dem Sozius eines Bikers sitzt häufig eine Bei-Bikerin. Es gibt sie in zwei Varianten: Helga oder Honi. Zwischenformen gibt es nicht. Wer Hägar kennt, kennt auch Helga und Honi, wer nicht, der sollte diese Bildungslücke schleunigst schließen. Hier ein kleiner Appetithappen.


Während die Hägars unkontrollierte Ungepflegtheit zur Kunstform erheben, ist für die Helgas kontrollierte Geschmacklosigkeit das Maß aller Dinge. Das beginnt mit der Wahl des Partners und reicht über den Musikgeschmack bis hin zur heiligen Domäne der Frauen: der Kleidung. Das Maximum an modischer Präsenz einer echten Helga manifestiert sich im Tragen eines selbst gebatikten Kartoffelsacks mit drangetuckerten Spaghetti-Trägern. Honis sind anders. Ganz anders. Honis sind … putzig. Der Zwang zum Aufbrezeln ist in einer Honi tiefer verankert als das vegetative Nervensystem. Eine Honi würde keine drei Minuten ohne Spiegel und keine drei Sekunden ohne MakeUp überstehen. Aber sie könnte die Kabel ihres iPod-Kopfhörers locker Unterputz verlegen. (Diese wunderschöne Analogie entsprang leider nicht meiner wortgewaltigen Feder sondern stammt von Hans Klaffl. Ehre, wem Ehre gebührt und sie gebührt!)

Ein Hägar hat verfilztes, ungekämmtes und schmieriges Haar, die Überreste der letzten drei Frühstücke kleben in verschiedenen Schichten des Bartes, er trägt ein fleckig-dreckiges T-Shirt, das viel zu eng und viel zu kurz ist und leider – je nach Perspektive - weder den Blick auf die Kugel-Bierwampe noch die Klempnerspalte verhüllt. Die Fürsorge, die der Biker seinem äußeren Erscheinungsbild mit großem Erfolg verweigert, lässt er in voller Gänze seiner Harley zuteil werden. Die Motorräder blitzen, glitzern und blinken, dass es eine wahre Freude ist. Bis hin zum letzten Schräubchen ist immer alles sauber, gepflegt und gehegt. So wie der Hundenarr seinen Vierbeiner alle paar Sekunden streicheln muss, um sich seiner Gegenwart immer wieder aufs Neue zu versichern, so muss der Biker seine Maschine alle paar Minuten anwerfen, ein wenig im Leerlauf vor sich hin böllern lassen und mit geübtem Griff testen, ob der Drehzahlmesser auch im zweistelligen Bereich noch zitterfrei bleibt. Es ist schlichtweg unvorstellbar, welchen Lärm, welches höllische Inferno diese Maschinen verursachen. Eine akustische Version von Hieronymus Boschs Bildern. Den ganzen Tag lief ein Grummeln, Brummeln, Dröhnen, Brüllen durch Daytona Beach und immer wieder donnerten regelrechte Konvois die Main Street entlang. Dank meiner Kopfhörer konnte ich während der Arbeit am Computer ganz gut abschalten. Aber bei meinen drei Strandspaziergängen konnte ich die Wellen zwar sehr gut sehen, dafür jedoch nur schwach hören. Dabei lief ich IM Wasser und weit weg von der Straße.  Man muss sich das vorstellen: Du watest durch das glitzernde Nass, die Sonne küsst deine Arme, der Wind streichelt deine Beine und die Wellen umspülen deine Füße, aber du hörst nur die Hufe der Harleys. Eine Grenzerfahrung von beinahe kathartischer Dimension.

Die Bilder des Tages:

Am Strand ist – mit Einschränkungen – Autofahren gestattet.


Ein kleiner Ausschnitt des Parkplatzes meines Hotels. Man beachte die hall-optimierte Wahl des Motorradparkplatzes.


Ein typischer Hägar samt Helga


Eine Helga ohne Hägar, die aber nur ein Dreirad fahren will, kann oder darf. Oder ist das nur die Einkaufs-Harley?


Freunde, wenn hier schon BIKETOBERFEST ist, dann mach ich da am besten mit. Ich lass es heute richtig krachen, so richtig „bruddal äh!“ Sprachs und kaufte sich ein wenig Heimat:



Till Senn

1 Kommentar:

  1. Hi Hermann

    das mit dem Daytone Biktoberfest, ist bei uns z.Z. vergleichbar mit der Gilde der Laubbläser.#
    1,25Kw aus 50 ccm Hubraum auf dem Rücken geschnallt,
    und volle Dröhnung, wie Werner sagen würde,

    ja ja
    als ich / wir jung waren,
    der BMW Rudl ( Schröttenhammer) und ich Honda freak,

    da haben wir nächtens auch mal aufgedreht,
    roaarrr, doch möglicherweise ist der damals als pubertärer Ausdruck nocht ausgereifter was weiß ich ---lichkeit, bei den Hanni und Helga Kutschern doch die
    Erinnerung an früher:

    ' da war doch mal was '

    also weg von dieser Lärmquelle, da hättest am Muc II auch rumradeln können, und ab in Richtung Lands End,

    es bleibt spannend

    liebe Grüße aus
    dem leicht unterkühlten München ( ANsage heute Nacht + - 0° C)

    Joe B

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