27. Juni (Tag 2)

Bremerton - Port Townsend

Tages-Km: 88 KM
Gesamt-Km: 118
Höhenmeter: 550
Zeit im Sattel: 5:28 Stunden
Wetter: bedeckt
Temperatur: 12 - 15° C


K.A.L.T.
Der 1987 in der Sowjetunion entstandene der Film "Der kalte Sommer des Jahres 53" hat im Sommer 2010 zwischen Seattle und Vancouver nichts von seiner Aktualität verloren. ES IST KALT! Ich friere. Und ich friere nicht leicht. Zugegeben, schon Mark Twain wußte zu berichten, dass der kälteste Winter, den er je erlebt hatte, ein Sommer in San Francisco war. Zugegeben, es ist noch nicht Mitte Juli und der Hochsommer noch 15 Tage entfernt. Und Alaska ist auch schon in Sichtweite. Aber jetzt mal im Ernst: Vom deutschen Sommermärchen per Direktflug ins ewige Eis? Da wirkt meine Klamottenauswahl ziemlich ambitioniert: NULL lange Hose, EIN mitteldünner Pullover - ZWEI superdünne Funktionsunterhemden, DREI luftige kurzärmelige Rad-Trikots. Und in meine Socken passe ich nicht rein sondern nur meine Füße.

Schweiß fließt, wenn Muskeln weinen. So gesehen bin ich eine fürchterliche Heulsuse. In dieser extrem klimatisierten Hügellandschaft bräuchte ich ein ganzes Regal voller Funktionsunterhemden, um alle fünf bis zehn Minuten trockenen Stoff über die eisige und nasse Haut zu ziehen. Die Hügel sind zahlreich und mein Anhänger ist schwer! Verdammt schwer. Was ich an warmen Klamotten eingespart habe, mache ich mit sinnfreier Technik wieder wett. Ich transportiere einen halben MediaMarkt durch die Gegend und friere mir dabei den... aber lassen wir das. Nächstes Mal eben keinen Fotoapparat, keine Videokamera, keine zwei Stative, kein großes und kein kleines Notebook und auch keine Ladegeräte, Netzteile, Kabel, Batterien, Akkus und mobile Solarzellenanlage (die ohne Sonne sowieso nicht funktioniert, deshalb aber um kein Gramm leichter wird.)

Die Amerikaner machen es sich schon einfach, oder? Rennradler, die einen Liegestuhl sowie zwei separate Radständer mit sich führen. Während einer längeren Steigung (!!) treffen wir auf eine Gruppe Triatlethen, die hier trainieren und im ständigen Wechsel radeln, laufen und (wo auch immer) schwimmen. Wir unterhalten uns sehr nett und ich kann es natürlich nicht lassen und frage, ob das bei Triatlethen denn so üblich sei, einen Liegestuhl mit zum Training zu bringen. "Ja" antworten sie, das sei durchaus üblich. Dann wollen sie wissen, warum ich ein schwarzes Bierfass auf dem Anhänger transportiere.

Das Fass auf dem Anhänger ist KEIN BIERFASS! Es handelt sich vielmehr um einen bärensicheren Vorratsschrank für Lebensmittel. Waschbären, Schwarzbären und Grizzlys stehen Gewehr bei Fuß, sobald der Mensch im Allgemeinen und wir im Besonderen (in ein paar Tagen) Vancouver verlassen und durch die Wildnis der kanadischen Rocky Mountains radeln. Ich stelle mir vor, wie die ganze Bärenfamilie mit Messer, Gabel und Lätzchen hungrig und in freudiger Erwartung um einen großen Tisch versammelt sitzt und im Chor das Mittagsgebet spricht: "Komm, Herr Jesus, sei unser Gast ..." Essen auf Rädern? Nein danke! Quatsch, bzw. "just kidding", wie wir auf dem Bau immer sagen. Tatsache aber ist: wo Menschen sind, sind - jedenfalls für Bären -verlockende Düfte. Also geht der Bär zum Mensch, was der Mensch im Allgemeinen und ich im Besonderen nicht so gerne mag. Daher das Bierfass, das keines ist. Die Brotzeit kommt in das Fass und das Fass weit weit weg vom Zelt. Wenn der Bär das Fass nicht aufbekommt, zieht er nach einer Weile von dannen und wir essen weiter auf unseren Rädern.

Man hat uns dringend empfohlen, uns nicht mit Seife zu waschen, wenn wir in der Wildnis zelten. Am besten überhaupt nicht waschen. Auch der Geruch von Zahnpasta zieht den Bär an und wir sollten derartigen Blödsinn lieber bleiben lassen. Kurz: wir würden mögliche Begegnungen der unangenehmen Art mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeiden, wenn wir unsere Körperhygiene im Bärenland auf Null herunterfahren und Meister Petz mit Gestank vertreiben. Die Alternative lautet also: stinkend leben oder duftend sterben.

Zwei Bilder vom ersten richtigen Radeltag:




1 Kommentar:

  1. Dem letzten Bild entnehme ich, dass es immer bergab geht. Ist doch super! Lasst laufen, Kumpels!

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